Ausführliche Diagnostik – Grundlage für eine optimale Behandlung

Eine frühe Diagnostik der Multiplen Sklerose ist entscheidend, um mit einer zeitnah einsetzenden Immuntherapie den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen zu können. Da MS-typische Symptome wie Sehstörungen oder Gangunsicherheiten jedoch auch bei anderen – meist neurologischen – Erkrankungen auftreten können, ist eine genaue Abklärung wichtig.

Zu Beginn erfolgt eine klinische Diagnostik. Das bedeutet: Unsere Ärzte besprechen mit unseren Patienten die aktuellen Symptome, die Krankheitsvorgeschichte und den Verlauf. Im Anschluss erfolgt eine neurologische Untersuchung, bei der beispielsweise Kraft, Koordination und Reflexe überprüft werden. Da die Symptome bei einer MS insbesondere zu Beginn einer Erkrankung oft sehr unspezifisch sind, werden weitere technische Untersuchungen und Labortests eingesetzt, um Klarheit zu schaffen.

Diagnose-Kriterien nach McDonald

Bei der Diagnose MS muss nachgewiesen werden, dass die krankheitsbedingten Störungen sowohl an verschiedenen Stellen des zentralen Nervensystems (sog. „Herde“) als auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten (sog. „Schübe“) auftreten. Ein Schub wird als objektiv erfassbarer, neu auftretender neurologischer Ausfall oder als eine gravierende Verschlechterung eines bereits bestehenden Ausfalls für die Dauer von mindestens 24 Stunden definiert. Schübe zeichnen sich durch Symptome wie Gangunsicherheiten, Gefühlsstörungen oder Sehverschlechterungen aus.

Die sog. McDonald-Kriterien stellen den fachlichen Standard in der Diagnosestellung dar: Eine gesicherte MS liegt beispielsweise vor, wenn zeitlich und räumlich getrennt mindestens zwei Schübe und zwei Herde im ZNS nachgewiesen werden können oder wenn sich statt eines zweiten Schubes in einer MRT-Untersuchung im Vergleich zur Voruntersuchung ein oder mehrere neue Herde zeigen. In der neuesten Fassung von 2017 wurden die Diagnose-Kriterien verfeinert und vereinfacht, sodass eine Multiple Sklerose nun bereits nach dem ersten Schub diagnostiziert werden kann.

 

Die neurologische Untersuchung

Im Rahmen der neurologischen Untersuchung können Funktionsbeeinträchtigungen des Nervensystems erkannt werden, selbst lange bevor sie vom Betroffenen selbst wahrgenommen werden. Die Multiple Sklerose führt zu Einschränkungen u. a. in den Bereichen Koordination, Gleichgewicht, Reflexe, Muskelkraft oder Sensibilität.

Bei einer neurologischen Untersuchung werden folgende Funktionen getestet:

  • die grobe Kraft und die Feinmotorik: Handdrücken, Fingerspreizen gegen einen Widerstand, Beugung und Streckung in Ellenbogen und Knien, Arm- und Beinvorhalteversuche, Reflexe – dabei zählt insbesondere der Seitenvergleich
  • Sensibilität: Untersuchung der Schmerz-, Temperatur- und Tiefensensibilität mit spitzen oder stumpfen, warmen oder kalten, weichen oder rauen Gegenstände; Außerdem Untersuchung der Tiefensensibilität, des Lagesins und des Vibrationsempfindens durch weitere Übungen
  • Koordination: Testung von Zielbewegungen z. B. mit dem Finger-Nase-Versuch
  • Gleichgewicht: Überprüfung des Gangbildes bei geschlossenen Augen, beim Balancieren auf einer gedachten Linie, auf Zehenspitzen oder auf den Fersen
  • Funktion der zwölf Hirnnerven: Durchführung bestimmter Bewegungen im Bereich des Gesichts durch den Patienten und Überprüfung der Reaktionen auf bestimmte Reize

Labordiagnostik

Im Rahmen einer Labordiagnostik bieten wir eine Analyse von Blut und Liquor (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) an. Blutparameter wie Leber- und Nierenwerte oder Entzündungsmarker geben Hinweise auf begleitende internistische Erkrankungen und unterstützen beim Ausschluss von Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen (Differenzialdiagnostik).

Bei der Liquordiagnostik wird der Wirbelkanal auf Höhe der mittleren bis unteren Lendenwirbelsäule mit einer feinen Hohlnadel erreicht (Lumbalpunktion) und Liquor entnommen. Im Falle einer Multiplen Sklerose lassen sich typischerweise eine leichte Zellzahlerhöhung bei einem normalen Proteingehalt (Eiweißgehalt) nachweisen. Es wird außerdem nach Zeichen für eine immunologische Reaktion gesucht: Dabei fokussiert man sich auf die sogenannten oligoklonalen Banden (OKB), die als Folge einer gesteigerten Antikörperproduktion entstehen. Um zu beweisen, dass sich die Entzündung auf das zentrale Nervensystem beschränkt (wie es bei der Multiplen Sklerose der Fall ist), sollten diese Antikörper nur im Liquor, nicht jedoch im Blut nachweisbar sein. Da in wenigen Fällen trotz Vorliegen einer Multiplen Sklerose keine oligoklonalen Banden nachweisbar sind, muss diese Diagnostikmethode mit anderen Methoden ergänzt werden.

Unsere Diagnoseverfahren

Elektrophysiologie

Die Elektrophysiologie, als eine Teilbereich der Neurophysiologie analysiert die Funktionalität elektrochemischer Signal­übertragungen im Nervensystem. Ein zentrales Gebiet ist dabei die elektrische und chemische Interaktion und Kommunikation zwischen Nervenzellen und Muskeln. 

Kardiologische Funktionsdiagnostik

MS-Patienten sind im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen. Zum Ausschluss oder Nachweis möglicher Risiken und Erkrankungen aus diesem Gebiet halten wir mehrere  Untersuchungen für unsere Patienten bereit.

Bildgebende Verfahren

Insbesondere im höheren Lebensalter können neben der MS auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen oder Tumorerkrankungen auftreten, die in unserer allgemein-internistischen Abklärung bei Verdacht sorgfältig untersucht werden können. Zur Diagnostik und Verlaufskontrolle der MS, sowie der Begleiterkrankungen stehen uns bildgebenden Verfahren, wie z. B. Ultraschall, Röntgen sowie die Magnetresonanztherapie zur Verfügung.  

Neurourologische Diagnostik

Bis zu 80 % aller MS-Patienten leiden unter Störungen der Blasenfunktion. Typisch ist die stark wechselnde Intensität der Beschwerden. Wir haben uns dieser Problematik angenommen und können eine detaillierte Diagnostik sowie eine anschließende Schulung mit Hilfsmitteln im Rahmen einer Therapie anbieten. 

Augendiagnostik mittels optischer Kohärenztomographie (OCT)

Die Multiple Sklerose ist charakterisiert durch einen Abbau der Nervenzellen und Nervenzellfortsätze im zentralen Nervensystem (ZNS). Daher sind Sehnervenentzündungen ein häufiges Symptom: Denn auch die Netzhaut des Auges (Retina) enthält solche Nervenzellen und Nervenzellfortsätze.

Schluckdiagnostik

Das Schlucken geschieht in einem komplexen Zusammenspiel aus einer Vielzahl von Muskeln, Nerven und mehreren Hirnregionen. Im Rahmen einer Multiplen Sklerose kann die Schluckfunktion jedoch stark beeinträchtigt sein. Um eine passgenaue Schlucktherapie anbieten zu können, muss zu Beginn eine sorgfältige Diagnostik stattfinden.